Wie Audi trotz Krise seine Kunden zu Fans macht…
Mainz (pm) – Die Autobranche leidet: Schwächelnde Konjunktur, internationaler Handelskonflikt, enorm hohe Investitionen in die Entwicklung nachhaltiger Technologie. Und immer wieder ist auch der Dieselskandal ein Thema. Keine Woche vergeht ohne Hiobsbotschaften oder Gewinnwarnungen der Autobauer und Zulieferer. Audi will in den kommenden Jahren 15 Milliarden Euro einsparen, knapp 10.000 Stellen streichen. Die Zukunft verheißt alles andere als Vorsprung – und trotzdem macht gerade Audi mit Blick auf die Marke „Vorsprung durch Technik“ alles richtig. Das sagt Marken-Experte Roman Becker. Er ist Pionier im Bereich der Analyse emotionaler Kundenbindung, Entdecker des Fan-Prinzips sowie Autor des Bestsellers „Das Fan-Prinzip. Mit emotionaler Kundenbindung Unternehmen erfolgreich steuern“.
In einem Interview hat Audi-Markenchef Sven Schuwirth verkündet, mit den kreativen Köpfen der Agentur 72andsunny eine globale Markenkampagne aufzusetzen. Der Claim „Vorsprung durch Technik“ soll emotional aufgeladen und mit neuem Leben gefüllt werden. Laut Audi soll es nicht mehr nur um das technisch Mögliche gehen, sondern darum, die Wünsche der Kunden noch stärker in den Fokus zu stellen.
Studie: Audi hat 32 Prozent Fans
Die Wünsche der Kunden – das ist laut Marken-Experte Becker der zentrale Punkt. Laut aktueller Studie Fanfocus Deutschland steht Audi auf Platz 2 der beliebtesten Automarken: 32 Prozent der Audi-Kunden sind echte Fans der Marke, also spüren eine besonders hohe Zufriedenheit und hohe emotionale Bindung. Weitere 26 Prozent der Kunden sind Sympathisanten, also immerhin noch hochzufrieden und überdurchschnittlich gebunden. Warum? „Audi hat es bisher immer verstanden, die zentralen Bedürfnisse seiner Kunden zu befriedigen – und hat so, ganz im Gegenteil zu Volkswagen, auch im Diesel-Skandal keine Fans verloren“, erläutert Roman Becker.

Die Erklärung ist laut Becker einfach: Die Fokussierung auf das Markenversprechen „Vorsprung durch Technik“ befriedige die Motivstrukturen der angepeilten Audi-Zielgruppe. „Vorsprung durch Technik“ erreiche einen kompetitiven, leistungsorientierten, nach Dominanz strebenden Fahrertypus und habe diesen bis heute an sich gebunden – Skandal hin oder her. „Wer jemals als Audi-Quattro-Fahrer bei starkem Schneefall eine Passstraße hochgefahren ist und dabei aus dem behaglichen Fahrzeuginneren den Fahrern anderer Automarken beim genervten Aufziehen der Schneeketten zugesehen hat, weiß, wie sich diese Dominanz anfühlt. Ab diesem Zeitpunkt bleibt dieser Audi-Fahrer ein treuer Fan der Marke. Denn Fans sind loyal und treu und sie verzeihen Fehler.“
Auf der Skisprungschanze
Bei Vorträgen zum Fan-Prinzip, erzählt Marktforscher Roman Becker, stelle er und sein Team von 2HMforum. aus Mainz häufig die Frage an das Publikum: „An welche Automarke denken Sie, wenn Sie das Wort „Allradantrieb“ hören?“ In neun von zehn Fällen sei die spontane Assoziation „Audi“. Und damit auch sofort präsent das Bild, wie der Audi Quattro spielerisch leicht die Skisprungschanze hochfährt. Aus der Fan-Forschung wisse man: „Der Fan liebt die Wiederholung. Das Markenversprechen muss immer wieder erlebbar gemacht werden.“ Somit bleibt es spannend abzuwarten, wie die neue Agentur 72andsunny den Claim emotional auflädt.“
Dass Audi entschieden bei „Vorsprung durch Technik“ bleibt, obwohl der wirtschaftliche Vorsprung der deutschen Automobilindustrie gerade eher ein Hinterherhecheln ist, bewertet Roman Becker als konsequent und klug. „Viele Autobauer sind in ihren Markenversprechen wechselhaft. Sie probieren gerne Neues, fokussieren sich nicht auf ihre Zielgruppen. Ja, man kann den Eindruck gewinnen, dass sie ihre Zielgruppen und deren Bedürfnisse gar nicht verstehen. Und sie schaffen damit keine wahrgenommene Differenzierung zum Wettbewerb: die Grundvoraussetzung für Fantum und damit für langanhaltend hohen Kundenwert: Denn über Produkt- und Leistungsmerkmale können sich Autobauer (so wie viele andere Hersteller auch) kaum noch differenzieren. Diese sind ohnehin austauschbar.“
Wechselhafte Markenversprechen
Das Entscheidende: die Art und Weise, wie die Merkmale in der Kommunikation mit den Bedürfnissen der eigenen Zielgruppe verknüpft und immer wieder erlebbar gemacht werden. Machen wir die Probe aufs Exempel: „Wer weiß, wer den Leitspruch „Die Zukunft gehört allen“ trägt? Und wofür eigentlich Opel steht? Oder Ford? Oder Renault? Kein Wunder, dass die Fan-Quoten bei diesen Autoherstellern zum Teil nicht einmal die 20 Prozent-Hürde erreichen in der Studie Fanfocus Deutschland“, analysiert der Marken-Experte.
Einigen Fahrzeugherstellern aber gelinge es, genauso wie Audi, äußerst erfolgreich ihre Kunden zu binden: BMW verbreite seit vielen Jahren „Freude am Fahren“ und glänze mit hohen Fan-Quoten, genauso Toyota mit „Nichts-ist-unmöglich“ und Mercedes mit seinem Claim „Das Beste oder nichts“.
Der Elchtest
A propos Mercedes: Erinnern Sie sich noch an den Elchtest? Es war 1997. Wie keine andere Marke stand Mercedes für Qualität und Zuverlässigkeit. Und dann kippt die neue A-Klasse im Test. Ein Desaster. Viele treue Kunden wandten sich enttäuscht ab. Die Verkaufszahlen – insbesondere der A-Klasse – blieben weit hinter den Erwartungen. Später stellte sich heraus, dass die vergleichbaren Modelle anderer Hersteller den Elchtest ebenso wenig bestanden hätten. Doch die Enthüllung schadete den anderen Herstellern wesentlich weniger als Mercedes. „Denn keine andere Automarke war so nachhaltig über sein Qualitätsversprechen positioniert“, erklärt Roman Becker. Es habe viele Jahre gedauert, bis sich die Marke Mercedes wieder erholt hat.
Das neue Audi-Gesicht
Marke braucht Haltung. Und Haltung braucht Handlung, sagt Roman Becker. Beides müsse deckungsgleich sein und im besten Falle noch ein Gesicht haben: Der Volkswagen-Konzern hat vor Kurzem einen neuen Chef für die Premiumtochter Audi gekürt: den ehemaligen BMW-Vorstand Markus Duesmann. Mit dem exzellenten Ingenieur an der Spitze soll Audi – so die Hoffnung – die frühere Innovationskraft zurückgewinnen und vor allem einem wieder gerecht werden: dem Markenversprechen „Vorsprung durch Technik“.